Die da kommen by Liz Jensen

Die da kommen by Liz Jensen

Autor:Liz Jensen [Jensen, Liz]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
Herausgeber: Deutscher Taschenbuch Verlag
veröffentlicht: 2013-05-23T22:00:00+00:00


8

Kaitlins Haus an der Fulham Palace Road, Baujahr 1910, ist ein klassisches Londoner Reihenhaus aus verblichenem rotem Backstein. Die Haustür trägt noch dasselbe Französisch-Grau, in dem ich sie beim Einzug gestrichen habe. Doch die Metallbehälter mit Kletterefeu und Miniaturbuchsbäumen sind neu, und die Jalousien wurden durch Vorhänge ersetzt. Ich treffe um 11.16 Uhr ein, vierzehn Minuten früher als geplant. Nach meiner Rückkehr aus Dubai vor zwei Tagen habe ich in einem Flughafenhotel in London gewohnt und daher meinen Koffer dabei. Es ist Mittwoch, der 26. September. Die Temperatur beträgt fünfzehn Grad. Mäßiger bis leichter Wind. Er bewegt die Äste, wirbelt Staub auf, lässt Müll tanzen.

Freddy muss nach mir Ausschau gehalten haben, denn ich brauche nicht einmal zu klingeln. Als ich näher komme, reißt er die Tür auf, brüllt: »Hesketh!«, stürzt sich auf mich und klammert sich wie ein Affe an mich. »Freddy K, Freddy K, Freddy K«, murmle ich lachend in seine Haare. Er fühlt sich schwerer an als beim letzten Mal, irgendwie kräftiger. Etwas steigt in mir hoch, wie eine Art Schmerz. Es ist Wohlgefühl. Ich fühle mich wohl in meiner Haut. Ich trage ihn durch die enge Diele in die Küche und setze ihn auf den Tisch, um ihn mir näher anzuschauen. Ich atme den Geruch von Bodenpolitur ein, der so typisch ist für Kaitlins Haus. Eine Marke namens Pledge. Meine Mutter hat sie auch benutzt.

Der Junge hat noch den gleichen dunklen Lockenschopf, nur sein Gesicht hat sich leicht verändert: Die Ecken und Kanten sind stärker ausgeprägt, die Ebenen klarer, und er hat Sommersprossen auf der Nase, in der Farbe von Muscovado-Zucker.

»Hallo, Hesketh.« Ich schieße herum. Stephanie ist blasser denn je. »Kaitlin besucht ihre Mutter im Hospiz. Sie ist den ganzen Tag unterwegs.« Keine Ahnung, was sie Kaitlin über meinen Besuch erzählt hat. Es ist irrelevant. »Warum geht ihr Jungs nicht ins Wohnzimmer, während ich eben eine Pizza aufbacke?« Bevor ich Dubai verließ, haben wir kurz und pragmatisch besprochen, wie wir mit Freddy vorgehen wollen. Unsere Strategie: Essen, Lego, Fragen.

»Hey, Hesketh. Komm, ich zeig dir, was ich kann«, sagt Freddy. Schon zerrt er mich ins Wohnzimmer, um mir seinen »Fast-Kopfstand« auf dem Sofa vorzuführen. Er macht zehn Versuche, die ich jeweils mit Sternen auf einer Skala von eins bis sechs bewerten muss. Dann zeigt er mir auf einer Stuhllehne, dass er fast Spagat kann. Er ist lebhaft, energisch und lässt die ganze Kraft eines siebenjährigen Jungen spielen. Ich hatte seinen Grashüpfer-Verstand vergessen, seine exzentrischen Fragen. Was wäre mir lieber – gefesselt auf einem Ameisenhaufen zu sitzen oder in einem riesigen Spinnennetz zu hängen? Können Menschen sich selbst in der Mikrowelle aufwärmen?

Die Rose in Kawasaki-Karmin, die ich beim Einzug für Kaitlin gefaltet hatte, ist aus der Nische über dem Kamin verschwunden. Aber es fällt mir leichter als erwartet, innerhalb der neuen Parameter zu funktionieren.

»Wenn du deine Hand in einen Vulkan steckst, bekommst du eine Verbrennung neunten Grades«, sagt er später, den Mund voller Salamipizza. »Von der Lava. Die kann dich töten. Und sie leuchtet im Dunkeln. Manchmal rot und manchmal orange und blau an den Rändern.



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